von Stefan Bartylla | Anlässlich der Berliner Stiftungswoche werden auf zahlreichen und vielfältigen Veranstaltungen Arbeiten und Projekte der beteiligten Vereine präsentiert. Es geht um Bürgerbeteiligung, Zivil-Courage, Historik, Kultur, Kunst und viele andere kulturelle und politische Themengebiete in der Stiftungsarbeit.
Um auch neues Publikum für die wichtige Sache zu interessieren, stellen die verschiedenen Stiftungen alljährlich zu dieser Veranstaltungsreihe ein Programm zusammen, das auf Vorträgen, Seminaren, Foren und Preisverleihungen auch die eine oder andere Prominenz zu aktuellen Themen auf die Diskursbühne schickt.Allen voran begeistert die in Sachen Bildungs- und Öffentlichkeits-Arbeit engagierte Körber-Stiftung mit ihren thematisch höchst aktuellen Veranstaltungen.
„Europa und Asien auf dem Weg zu einer neuen Weltordnung“ lautete in diesem Jahr das Thema zu dem die Stiftung in das Allianz-Forum am Pariser Platz in Berlin eingeladen hatte und das Gesprächstrio Theo Sommer, Editor at large DIE ZEIT, Stephan Detjen, Chefredakteur Deutschlandfunk und den Bundeskanzler a. D. Helmut Schmidt gewinnen konnte.
Die Präsenz des viel geschätzten Altkanzlers hatte dafür gesorgt, dass die Zuschauerplätze im Forum schräg gegenüber des Brandenburger Tores bereits früh im Vorfeld ausgebucht waren. Auch die Übertragungsankündigung via Fernsehsender PHOENIX und Deutschlandradio deutete schließlich auf ein beachtliches Zuschauerinteresse hin, welches sicherlich mit dem eigentlichen Thema des Abends nur teilweise begründet war.
Programm des Abends waren vornehmlich die Darstellungen und die Ansichten des Mannes, der alle internationalen Entwicklungen zum genannten Thema seit vielen Jahrzehnten mit verfolgt, in seiner aktiven Zeit mitgestaltet und vor allem stets zu benennen und einzuschätzen wusste.
Helmut Schmidt hatte im Diskurs des Abends viel Geschichtliches beizutragen. Während seiner Amtszeiten als Minister und Kanzler hatte er schließlich mit Politikern wie Mao Tse Tung und Deng Xiao Peng diskutieren und verhandeln, den Funktionärssozialismus asiatischer Bauart beobachten und andererseits auch schon recht früh die europäische Unionsstrukturierung mit begleiten und gestalten dürfen.
„Nein – eine Weltordnung im eigentlichen Sinne habe es nie gegeben“, so stieg der für seine pragmatische Rhetorik bekannte Altkanzler gewohnt provokativ in die Diskussion ein.
Die so genannte Weltordnung sei immer schon ein eher sortiertes Gefüge gewesen, in das sich alle beteiligten Gruppen und Regierungen stets einzufassen hatten.
Das wirtschaftliche und politische Arrangement, dem sich die Europäer und die Asiaten aktuell zu stellen haben, sei hingegen bei genauer Betrachtung schon seit über dreißig Jahren absehbar gewesen. Im Fall der Chinesen sei es insbesondere Deng Xiao Peng gewesen, der die Weichenstellungen zu seiner Amtszeit in Richtung Marktwirtschaft eindeutig umgelegt hatte. Das geflügelte Wort der „gelben Gefahr“ sei schließlich bereits in den siebziger Jahren in aller Munde gewesen und warnte damals prinzipiell vor dem, was heutige Wirtschaftsbarometer auf den weltweiten Handelsplätzen dokumentieren: Asiens Wirtschaft boomt und nimmt sich seinen Teil an realisierbaren Erlösen aus seinen Handels- und Produktionsaktivitäten auch in Europa.
Bei den Schwierigkeiten, die auf die im Diskussionstitel genannten Handelspartner warten würden, räumte Schmidt ein, dass die aktuellen Tendenzen hinsichtlich der Krisensituationen in einzelnen Staaten des EU-Gefüges allesamt nationalen Ursprungs seien. Die wirtschaftliche Zugkraft der EU hätte in den vergangenen beiden Jahrzehnten alle Erwartungen erfüllt und konnte sich Jahr um Jahr immer stärker etablieren. Aktuelle Krisenszenarien der Machart Griechenland, Irland oder Spanien sollte über diese nachweislichen Eckdaten nicht hinwegtäuschen.
Angesprochen auf zukünftige Schwierigkeiten, die auf die asiatischen Handelsnationen warten könnten, reichte die Bandbreite von den Fehlern aus der Vergangenheit über das Umweltschutz- und Demokratiethema bis hin zum drohenden Hyperboom im Reich der Mitte.
„China wird immer mehr mit den Folgen der seit dreißig Jahren praktizierten Ein-Kind-Politik zu kämpfen haben“, stellte Schmidt fest. Und zum Thema Umweltpolitik und Hyperboom ergaben seine Einschätzungen eine etwa 50-prozentige Erfolgschance, die nötigen Dinge in den Griff zu bekommen. Zum Thema Demokratieumsetzung verwies der Altkanzler schließlich auf viele Fehler, die auch im Demokratisierungsprozess der Länder gemacht wurden, die sich heute mit der Abmahnung Chinas in Sachen Meinungsfreiheit und Menschenrechte umfassend beschäftigen. – “Sklaverei in Nordamerika ist doch erst seit 150 Jahren abgeschafft“ und die Zeit der Apartheid in den USA sei noch gar nicht so lange vorüber….“
Im Fazit hielt Schmidt noch einmal fest, dass trotz aller Kritik an Tendenzen und Bestrebungen der beiden beteiligten Partner sowohl in Europa als auch in Asien die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte en generalis zu Verbesserungen der Lebensumstände geführt haben.
Zur Frage des Abends nach dem Weg zur neuen Weltordnung, enthielt sich die Gesprächsrunde Schmidt/Detjen/Sommer einer Prognose gemäß dem Schmidt´schen Diskussions-Opener des Abends, der die Existenz einer solchen Ordnung per se in Frage stellte….
Aufzeichnungen zur Veranstaltung können am 16. Juni um 23:00 Uhr und am 17. Juni in »vor Ort« bei PHOENIX gesehen und am 30. Juni in der Sendung »Zeitzeugen« von 19:15 Uhr bis 20:00 Uhr im Deutschlandradio nachgehört werden.
Weitere Infos zur Körber-Stiftung finden sich unter deren Website www.koerber-stiftung.de
Das volle Programm zur Stiftungswoche Berlin ist auf www.berlinerstiftungswoche.eu gelistet.