Als Kadir Nurmann 1972 in seinem Imbiss gegenüber dem Berliner Bahnhof Zoo ein paar Gabeln geschnetzeltes Hammelfleisch zusammen mit etwas Salatgarnitur und ein paar Zwiebelringen in eine Berliner Schrippe schob, werden ihm kaum Gedanken an Ruhm und Ehre gekommen sein.
Aber genau die wurden ihm 39 Jahre später, nämlich als Erfinder und Geburtshelfer in der Geschichte des Döner Kebabs anlässlich der Eröffnung zur zweiten Dönermesse DÖGA am vergangenen Wochenende in Berlin-Friedrichshain zuteil.
Zur Auftaktveranstaltung und Ehrung war auch der türkische Botschafter in Deutschland, Ahmet Acet gekommen, der die Bedeutung der türkischen Imbissspezialität in ihrer Teigtaschenvariante als Teil der jüngeren deutschen und Berliner Geschichte in seiner Rede betonte.
Eine Tatsache, die nicht nur vorzüglich zum diesjährigen Jubiläums-Thema „50 Jahre türkische Immigration nach Deutschland“ passte, sondern auch angesichts der immer noch präsenten Behauptungen des ehemaligen Berliner Wirtschaftssenators Thilo Sarrazin durchaus belegbares Gegenmaterial lieferte.
Mit 16.000 Döner-Imbissen, 200 Herstellerfirmen, 200.000 Beschäftigten und jährlich 720 Millionen verkauften Portionen hat sich aus Kadir Nurmanns Fleischbrötchen-Idee mittlerweile eine eigene landesweite Industrie entwickelt, die einen jährlichen Gesamtumsatz von 2,7 Milliarden Euro erzielt.
Insgesamt 70 Aussteller präsentierten zur DÖGA in der ehemaligen Hauptpost am Berliner Ostbahnhof alle möglichen Optionen, die mit der Herstellung, Zubereitung, Präsentation und Kultur der gefüllten Fladenbrote in Verbindung stehen: Kühlfahrzeuge, Spezialhubwagen, Gastro-Mietwäsche, Gewürzmischungen Automatentechnik, Brandschutzgeräte, Qualitätssicherungsverfahren – aber eben auch jene herzliche Atmosphäre, die fast immer bei Verhandlungen mit türkischstämmigen Geschäftspartnern eine Rolle spielen.
Insgesamt 1500 Gäste probierten dann am Besuchersonntag die verschiedenen Varianten des Teigtaschen-Imbisses, der in Berlin eine ganz aktuelle Renaissance erfährt. Durch neue Rezepturen, frische und vielfältige Zutaten und vor allem durch ein selbstbewusstes und offenes Auftreten sorgt derzeit eine neue Generation von Drehspießgastronomen für frischen Wind zwischen Soßenkübeln und Gemüsevitrinen.
In den einschlägigen Touristenführern sind die Stände in Kreuzberg, Schöneberg und Friedrichshain bereits weltweit vermerkt und ihr Kult ist durch beachtliche Menschenschlangen vielfach belegt.
„Frisch müssen die Zutaten sein und Kräuter kommen auch rein. Auf das Hühnchenfleisch kommt oben drauf immer Schafskäse, gebratenes Gemüse und – ganz wichtig – ein Spritzer Zitrone.“, so Mustafa, der zusammen mit Hassan und Mohammed den bei Touristen und Berlinern gleichermaßen beliebten Döner-Imbiss „Mustafahs Gemüsekebab“ am Kreuzberger Mehringdamm betreibt und ihr Können an einem DÖGA-Stand via Verkostung unter Beweis stellte.
Die oft bis zu 30 Meter lange Warteschlange beschallt das Team auch gerne mal mit orientalisch beeinflußten Techno-Sound und passend zur kultigen Bude haben sich die Betreiber auch eine toll animierte Website ins Netz setzen lassen.
Dinge, die der „Döner-Vater“ Kadir Nurmann bestimmt nicht ahnen und auch gar nicht mögen würde. Als Purist lehnt er zu viele Zutaten im Fladenbrot kategorisch ab.
Und beim Dönerwettessen, dem Höhepunkt des Besuchertages der DÖGA wäre ihm sicherlich ganz anders geworden. Fünf gefüllte Teigtaschen in 20 Minuten stopfte sich der Sieger Robi Loster, hinter die Backen.
Als Preisgeld gab es für den der BWL Studenten satte 500 Euro. Das Geld wurde ihm von Remzi Kaplan überreicht, der als lautstarker Moderator die planlos überfüllte Veranstaltung dirigiert hatte und im wirklichen Leben den Boss einer der umsatzstärksten Dönerproduktion in der Hauptstadt gibt. Eine Branche zum Anfassen eben.
Es interessiert mich tatsächlich, wie der Berliner Döner, dieses berühmte Kulturgut, auf professioneller/geschäftlicher Ebene zu betrachten ist. Dieser Zweig der Lebensmittelindustrie ist mittlerweile ein unglaublich großer Markt, der die Straßenzüge Berlins prägt wie kaum ein Anderer.
Die Messe habe ich noch nie besucht- werde ich aber…
Danke für den Artikel.