von Stefan Bartylla | Wahlkampf im Internetzeitalter ist nicht einfach. Das bekommt derzeit auch der designierte Bundestagswahl-Gewinner Guido Westerwelle zu spüren. Während früher wenigstens noch ordentlich gepfiffen, gebuht oder dazwischen gebrüllt wurde, gehört in Zeiten von Twitter, Facebook und Co. eine derart anständig gestörte Veranstaltung der Vergangenheit an.
Flashmobbing heißt die neue Waffe, mit der man den Kandidaten der jeweils anderen Partei den Wahlkampfauftritt versauen will. Unsere verehrte Frau Bundeskanzlerin. Frau Dr. Angela Merkel machte jüngst diese Erfahrung auf dem Hamburger Gänsemarkt als plötzlich Hunderte begeistert und andauernd „Yeaahh“ riefen.
Die Gegner mengen sich in großer Zahl unter das Publikum und übernehmen zu einem vereinbarten Zeichen die Veranstaltung für wenige Minuten. So auch nun geschehen auf dem Berliner Breitscheidplatz am Fuße der Gedächtniskirche, bei einer Veranstaltung der FDP. Wenn auch Guido & Co. vorab Bescheid wussten und das Publikum bereits zu Veranstaltungsbeginn von der bevorstehenden Aktion unterrichteten – allein der Effekt der „feindlichen Veranstaltungsübernahme“ per Plakatpräsentation stellte sich während der eineinhalb Minuten im gewünschten Maße ein.
Westerwelle nahm die Aktion gelassen hin und verwies auf seine Flashmob-Erfahrungen aus vergangenen Fußgängerzonen-Gigs. Auf die politische Aussage der Plakateheber, nämlich der Protest gegen die Atompolitik der FDP, ging der Partei-Chef gar nicht erst ein.
In der vagen „Hoffnung“, auf seinen zukünftigen Veranstaltungen ähnliche Resonanz zu erfahren, verabschiedete er die Protestler noch mit dem nett intonierten Gruß „Wir sehen uns doch in Frankfurt wieder, oder?“. Damit ist wohl zu rechnen: In einem Handzettel, den die Atomkraftgegner an die Presse verteilten, sind Folgeaktionen auf CDU/CSU und FDP-Veranstaltungen bereits angekündigt.