von Stefan Bartylla | Am Heiligabend um 22:00 Uhr war es im Berliner Hauptbahnhof wieder soweit: Im fünften Jahr in Folge hatten die Berliner Kirchen zum ökumenischen Gottesdienst geladen und die große Eingangshalle für eine kurze Zeit in eine Kirche der besonderen Art verwandelt.
Der Altar stand am unteren Rolltreppenende in der Eingangshalle Süd und Kreuz, Bibel, Kerze und ein poppig gemeintes Kirchenmusik-Trio bildeten das optische und akustische Beiwerk zu den Kurzpredigten, Gebeten und der obligatorischen Kollekte. Letztere durfte die Berliner Stadtmission für sich und ihre Arbeit einstreichen – Schelte, Mahnung und durchaus auch das eine oder andere Wörtchen Ironie hatten die geistlichen Herren zu ganz aktuellen und weltlichen Themen mit in ihre Texte eingearbeitet. Und allein die Liedauswahl mit: „Vom Himmel hoch“ und „Herbei o ihr Gläubigen“ paßte ganz vorzüglich zur Präsentation des heiligabendlichen Gastgebers.
Die Deutsche Bahn AG blickt nämlich nicht gerade auf die PR-stärkste Zeit ihrer Konzerngeschichte zurück. Schließlich gestaltete sich das Jahr Eins nach Mehdorn voller Pech und Pannen. Radreifen der High-Tech-Generation drohten serienmäßig auszubrechen, Waggons erhitzten sich zu Römertöpfen und Unmengen von Berliner S-Bahnen blieben gleich den ganzen Sommer über in den Werkstattschuppen.
Die Bahn kommt – fragt sich nur: Wann?
Als jüngster Höhepunkt dieser bemerkenswerten Pannenstory dürfte der völlig freche und unerwartete Schneefall zur Winterzeit betrachtet werden. Womit nämlich keiner rechnete: es wurde kalt und die Weichen froren hart. Nachdem nun einfahrende S-Bahn-Züge in den Bahnhöfen als große Ereignisse gefeiert, Anfahrten und Heimwege zu Expeditionen auswuchsen und selbst Schienenersatz- und Pendelverkehre als mildernde Umstände im Lichte der öffentlichen Meinung zu glänzen begannen, wurden die Behördennachfolger mit dem Schienenmonopol von der Reisewelle ausgerechnet zu Weihnachten derart überrascht, dass der Konzern seinen Kunden die eigene Dienstleistung nicht mehr bedenkenlos empfehlen konnte.
Allein das Motto der Andacht an diesem Heiligen Abend vermochte die höchst aktuelle Schienen-Transportkrise in eine optimistischere Formel zu verpacken: „Gott kommt zum Zuge, Gott kommt zu den Menschen.“, lautete der Titel der ökumenischen Feierzeit.
Ein Motto, das den Herren über Weichen und Strecken vielleicht als Slogan auch ganz gut zu Gesicht stünde – denn so ein Versprechen könnten selbst Mehdorns Erben unwiderlegt einhalten.